Kaum ein anderer Festivalbeitrag zum Rennen um die Goldene Muschel wird so sehnsüchtig erwartet wie die „Schwesterstrecke“ zu Seidls Rimini. Grund dafür sind die jüngsten Beschwerden des deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Die Premiere ist für Sonntagnachmittag um 19 Uhr geplant. im großen Kursaal der nordspanischen Metropole. Der Film mit Georg Friedrich in der Hauptrolle handelt von einem Mann mit pedantischen Neigungen. Den Vorwürfen zufolge behandelte Seidl die minderjährigen rumänischen Laiendarsteller mit Szenen von Alkoholismus, Gewalt und Nacktheit ohne angemessene Fürsorge und Information für die Familien. Der 69-jährige Star-Regisseur (“Dog Days”) wies die Vorwürfe aufs Schärfste zurück. Das Canadian Film Festival in Toronto hat den Film jedoch letzte Woche abgesagt. In San Sebastián versucht Seidl nun, sich im Rennen um die „Goldene Muschel“ gegen insgesamt 16 andere Festivalteilnehmer durchzusetzen. Im offiziellen Wettbewerb konkurriert Seidl mit namhaften Regisseuren wie dem Koreaner Hong Sangsoo („Walk up“), dem Franzosen Christophe Honoré („Winter Boy“) und dem argentinischen Regisseur Sebastian Lelio („The Wonder“). Aber unter den „Muschel-Anwärtern“ finden sich auch interessante Beiträge von jüngeren Regisseuren wie der Spanierin Pilar Palomero mit „La Maternal“ oder der Amerikanerin Marian Mathias, die mit ihrem ersten Spielfilm „Runner“ ins Rennen geht. Die Jury unter dem Vorsitz der US-Schauspielerin und dreimaligen Golden-Globe-Gewinnerin Glenn Close (“Dangerous Liaisons”) wird nicht leicht zu wählen sein. Zumindest einige wichtige Entscheidungen wurden von der Jury im Vorfeld getroffen. Die französische Schauspielerin Juliette Binoche und der kanadische Kultregisseur David Cronenberg werden dieses Jahr mit dem Ehrenpreis des Festivals zum 70. Jubiläum ausgezeichnet. Unterdessen erhielt Ryusuke Hamaguchis frischgebackener Oscar-Gewinner „Drive my car“ bei der Eröffnungsgala am Freitag den FIPRESCI-Preis der Internationalen Vereinigung der Filmkritiker für den „Besten Film des Jahres“. Bis zum 24. September werden insgesamt 200 Festivalbeiträge in verschiedenen Unterreihen gezeigt. Neben Seidls „Sparta“ sind zwei weitere österreichische Produktionen in San Sebastian zu sehen. Um den mit 20.000 Euro dotierten Zabaltegi-Tabakalera-Preis konkurriert die Österreicherin Ruth Beckermann mit ihrem Dokumentarfilm „Mutzenbacher“, der dieses Jahr in Berlin Premiere feierte. Und in der Nebenserie „Pearls“, einer Art „Best of“ der auslaufenden Filmfestspielsaison, ist Marie Kreutzer mit ihrem neuen Sisi-Film „Corsage“ dabei, der im Mai bei den Filmfestspielen von Cannes gezeigt wurde und gerade als Österreicher gewonnen hat ein für einen Oscar nominierter Ausländer. Ihre unkonventionelle Interpretation der österreichischen Nationalikone Sisi, gespielt von der Luxemburgerin Vicky Krieps, hat allerdings im Rennen um den mit 50.000 Euro dotierten Publikumspreis starke Konkurrenz. Neben Cannes-Gewinner „Triangle of Sadness“ von Ruben Östlund sind auf der Seite „Pearls“ auch Francois Ozons Berlinale-Beitrag „Peter von Kant“ und Santiago Mitres Film „Argentina“, der in Venedig großen Zuspruch fand, zu sehen. . Serie. Ebenfalls am Start sind die neusten Produktionen von Penelope Cruz (“On the Fringe”) und Olivia Wilde (“Don’t Worry Darling”). Die diesjährige Retrospektive ist dem französischen Regisseur Claude Sautet (1924-2000) in San Sebastián gewidmet. Sauté, der 1970 mit „Die Dinge des Lebens“ seinen großen Erfolg feierte, gilt als einer der wichtigsten Vertreter des französischen Kinos der 1970er und 1980er Jahre, Romy Schneider und Emmanuelle Béart gehörten zu seinen Stammdarstellerinnen. Den Abschluss des offiziellen Wettbewerbs bildet Neil Jordans neuer Krimi Marlowe. Mit den Hollywoodstars Liam Neeson und Diane Kruger, die ebenfalls in San Sebastian erwartet werden. San Sebastián ist neben Cannes, Berlin und Venedig eines der international bekanntesten A-Festivals.„Wir sind zwar die kleinsten der großen Filmfestivals, aber wir haben einen ganz besonderen Charakter“, betont Festivalleiter José Luis Rebordinos in einem Interview mit APA. Mit den Nebenreihen „Made in Spain“ und „Horizontes Latinos“ ist San Sebastián mit rund 500 Millionen Zuschauern nicht nur das wichtigste Filmfestival im spanischsprachigen Raum, sondern auch ein „Fenster zum lateinamerikanischen Kino“. Zudem setzt sich San Sebastián im Vergleich zu anderen A-Festivals mit der „Nest“-Kurzfilmsektion und dem mit 50.000 Euro dotierten Young Directors Award für erste und zweite Regiearbeiten sehr intensiv mit neuen Trends und neuen Regisseuren auseinander. so Festivaldirektor Revordino. (SERVICE – www.sansebastianfestival.com/2022/)