Jean-Luc Godard hat das Kino revolutioniert wie niemand vor ihm. Jetzt ist der Mitbegründer der Nouvelle Vague im Alter von 91 Jahren gestorben. Für seinen ersten Spielfilm, das Gangsterdrama À bout de souffle, wurde Godard 1960 in Berlin mit dem Silbernen Bären als Beste Regie ausgezeichnet. Sein Debüt verblüffte das Publikum und die Presse. Gedreht vor Ort statt im Studio – unter natürlichem Licht mit einer Handkamera. Gängige Kontinuitätsregeln wurden im Durchschnitt bewusst ignoriert. Heute gilt „À bout de souffle“ als früher Klassiker der „Nouvelle Vague“. So hieß die Filmbewegung, die den damaligen konservativen Status quo herausforderte. Bildunterschrift: „Atemlos“ mit Jean Seberg und Jean-Paul Belmondo. BILDER DER SAMMLUNG MAURIKIO / CHRISTOPHELOU Ihre jungen, französischsprachigen Filmemacher verstanden sich als Schriftsteller. Ihre Abkehr von traditionellen Erzählformen und filmischen Techniken revolutionierte das Kino nachhaltig.

Neue Welle

Die berühmtesten Vertreter der Bewegung trafen sich in den 1950er Jahren in den Pariser Kinos, darunter neben Jean-Luc Godard die späteren Regisseure Francois Truffaut, Claude Chabrol und Jacques Rivette. Sie alle arbeiteten als Filmkritiker, bevor sie hinter die Kamera kamen. Bildunterschrift: Gründer der Nouvelle Vague: Jean-Luc Godard (links) mit François Truffaut (rechts). IMAGO-BILDER / RONALD GRANT Godard drehte einige seiner populärsten Filme im Geiste des Optimismus der Nouvelle Vague. So etwa die Krimikomödie „Bande à part“, nach der Quentin Tarantino – wie Godard selbst ein Fan von Filmclips – seine erste Produktionsfirma benannte.

Titel für die Ewigkeit

Einprägsam auch: die radikale Alltagscollage „Deux ou Trois chooses que je sais d’elle“ oder die romantische Kritik des Großbürgertums „Pierrot le fou“. Diese Titel sind nur drei Beispiele für Godards Filme, die in unzähligen internationalen Charts zu finden sind. Legende: Regisseur Jean-Luc Godard am Set des Films „Pierrot le fou“. GETTY IMAGES / ULLSTEIN-BILD Seine Ablehnung von allem „Städtischen“ erklärt sich wohl aus seiner eigenen Biografie: Jean-Luc Godard wurde am 3. Dezember 1930 in eine wohlhabende Familie hineingeboren. Odiles Mutter stammte aus einer Pariser Bankiersfamilie, Pauls Vater war Arzt. Als Jean-Luc vier Jahre alt war, zog die Familie in die Waadt. Nach dem Krieg kehrte er nach Paris zurück und schrieb sich an der berühmten Sorbonne-Universität zum Studium der Anthropologie ein. Aufgrund seiner wachsenden Begeisterung für das Kino hielt er sich jedoch weitgehend von Vorlesungen fern.

Abkehr vom Mainstream

Ende der 1960er Jahre entfernte sich Godard mit seinem Werk immer weiter vom Mainstream. Seine Filme wurden politischer in ihrer Botschaft und radikaler in ihrer Form. Dies galt auch für ihn. Godard gehörte der radikalen Linken an und war, wie viele seiner Zeit, pro-palästinensisch. Die Antisemitismus-Vorwürfe seien nicht ohne Grund, er sehe sich selbst nicht als Antisemit. Mit seinem Landsmann Jean-Pierre Gorin gründete er das „Team Dziga Vertov“. Ein Kollektiv, dessen Filme sich durch ihre marxistische Ideologie und die Verwendung von Brechtschen Erzählformen von der Masse abhoben. Das bekannteste Werk dieser Phase ist wohl das Klassenkampfdrama „Tout va bien“ mit Jane Fonda. Darin wird die vierte Wand im wörtlichen und im übertragenen Sinne immer wieder durchbrochen.

Ein Visionär durch und durch

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts legte Godard wieder mehr Wert auf die Ästhetik seiner Filme. Aber er hat sich nie ganz von der Gesellschaftskritik verabschiedet. Legende: 2010 nahm Jean-Luc Godard an der Verleihung des „Grand Prix Design“ im Design Museum in Zürich teil. KEYSTONE / GAETAN BALLY Sein 3D-Experiment „Adieu au langage“ gewann 2014 den Preis der Jury in Cannes. Und sein neuester Film, der Essay „Le livre d’image“, gewann vier Jahre später eine Goldene Palme. Godard, der den Kult um sein Gesicht nie mochte und dem Mainstreamkino den Rücken kehrte, starb im Alter von 91 Jahren in Rolle (VD). Dies wurde von seiner Frau und seinen Produzenten bestätigt.

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Aufgrund der aktuellen Situation zeigt SRF 1 den Godard-Klassiker «À bout de souffle» – diesen Donnerstag, 15. September 2022, um 23.55 Uhr.