Ab: 14.09.2022 18:00 Uhr
Viele Krankenschwestern erhielten die versprochene Kronenzulage nicht. Das geht aus einem Bericht des Bundesrechnungshofs hervor, der NDR, WDR und SZ vorliegt. Schuld daran ist ein “fehleranfälliger” Bezahlvorgang – der wiederverwendet werden könnte. Von Markus Grill, NDR/WDR
2020 könnten sich Pflegekräfte in Pflegeheimen und Kliniken über einen Corona-Bonus freuen. Der Bund spendete 1000 Euro pro Pflegekraft – steuerfrei und ohne Sozialversicherungsabzüge. Weitere 500 Euro sollen von den Bundesländern kommen. „Um den vom Bund finanzierten Teil der Prämie zu erhalten, müssen Sie als Arbeitnehmer nichts tun“, teilte das Gesundheitsministerium von Jens Spahn damals auf seiner Homepage mit. „Die Prämie erhalten Sie automatisch von Ihrem Arbeitgeber.“
Dass dieses Versprechen etwas zu pauschal war, zeigt ein aktueller Bericht des Bundesrechnungshofs, der das Finanzmanagement des Gesundheitsministeriums während der Corona-Pandemie untersucht hat. Der 29-seitige Bericht ging Ende vergangener Woche an den Haushaltsausschuss des Bundestages und liegt NDR, WDR und “Süddeutscher Zeitung” vor.
Die Zahlung wird oft gar nicht verlangt
In dem Bericht kam der Rechnungshof zu dem Schluss, dass der Prozess zur Zahlung der Corona-Prämie „fehleranfällig und missbrauchsanfällig“ sei. In der Folge hätten „viele Pflegeeinrichtungen“ die Auszahlung von Bundesmitteln nicht beantragt – die 1.000 Euro des Landes seien nicht einmal bei den in diesen Einrichtungen beschäftigten Beschäftigten angekommen, kritisierte der Rechnungshof. Gleichzeitig forderten die Chefs anderer Pflegeeinrichtungen die Kronenzulage nicht nur für ihre Mitarbeiter, sondern auch „böse“ für sich.
Unterdessen wechselte der Ministerpräsident, Karl Lauterbach (SPD) folgte Spahn (CDU) im vergangenen Dezember. Auch in diesem Jahr soll es wieder steuerfreie Pauschalen für Pflegeheim- und Krankenhausmitarbeiter geben, diesmal nicht als „Corona-Prämie“, sondern als „Pflegebonus“ gebrandmarkt. Der Bundesrechnungshof befürchtet, „dass sich der bisherige Prozess der Fehler- und Missbrauchsanfälligkeit nun mit der Pflegeprämie fortsetzt“. Fragen von NDR, WDR und SZ zum Bericht des Rechnungshofs hat das Ministerium nicht beantwortet.
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hatte bereits kritisiert, dass viele Pflegekräfte das Corona-Geld im Frühjahr nicht erhielten. Das sei “einfach eine Schande”, sagte Vorstandsmitglied Sylvia Bühler. Schließlich handelt es sich um Beschäftigte, die oft nur den Mindestlohn beziehen und in der Pandemie „extremen Herausforderungen und Gefährdungen“ ausgesetzt seien. Bühler verwies auf eine Auswertung einer großen Steuerberatungskanzlei, die die Geschäftsdaten von mehr als tausend Pflegediensten analysiert hatte.
Doch das Ergebnis dieser nicht repräsentativen Bewertung war verheerend. Nur weniger als 60 Prozent der Altenpfleger hätten 2020 einen Corona-Bonus erhalten. Die meisten davon in Brandenburg, die wenigsten in Baden-Württemberg. Für die Nichtzahlung der Prämie durch die Pflegedienste gebe es laut ver.di-Vorstand Bühler “keine Entschuldigung”. Pflegeheime und Altenpflegeunternehmen sollen „eine staatlich geförderte Prämie beantragen und an die Beschäftigten weiterreichen können“. Alles andere zeugt von Gleichgültigkeit.
Kritik am Umgang der Testzentren mit Betrug
Noch kritischer sieht der Bundesrechnungshof die Pandemiepolitik. Entgegen vielen Behauptungen Lauterbachs, Betrug in Corona-Teststellen müsse nun wirklich bekämpft werden, heißt es in dem Bericht, dass “nach Einschätzung des Bundesrechnungshofs eine wirksame Betrugsbekämpfung nahezu unmöglich ist”, weil die geänderten Regelungen auch nicht ausreichen, um Missbrauch entgegenzuwirken”. Ob die zu Unrecht gezahlten Gelder erfolgreich zurückgefordert werden können, erscheint zweifelhaft“, stellen die Wirtschaftsprüfer fest. Das Landeskriminalamt Berlin ist bundesweit für Schäden in Höhe von über einer Milliarde Euro verantwortlich – durch gefälschte Testkonten oder überteuerte Testkits.
Bestürzung äußerte der Rechnungshof auch darüber, dass Lauterbach die Kassenärztliche Vereinigung bei der Prüfung von Bürgertests deutlich entlastet, diese aber die Pauschalbeträge in der bisherigen Höhe weiter kassieren sollen. Die Änderung soll laut Rechnungshof auch “zu einer angemessenen Kürzung der Verwaltungskostenerstattung führen”. Auf die Frage, ob das Ministerium diesen Vorschlag annehmen wolle, antwortete sie nicht.
Auch Krankenhäuser erhielten in der Pandemie viel Geld, um Betten für Coronavirus-Patienten freizuhalten. Auch hier ist der Bundesrechnungshof kritisch. Allein für dieses Jahr sind weitere 5,7 Milliarden Euro im Haushalt des Gesundheitsministeriums vorgesehen. “In der Praxis”, schreibt der Rechnungshof, würden diese Milliarden “nicht mehr weitgehend dazu verwendet, die notwendigen therapeutischen Kapazitäten freizuhalten”, sondern lediglich die finanzielle Absicherung der Kliniken zu gewährleisten.
“Krankenhauszuschuss”
„Milliardenschwere Pandemiemittel wurden zum Teil zur Subventionierung von Krankenhäusern unabhängig von der Pandemie verwendet“, schreibt der Rechnungshof und folgert: „Der absehbare Missbrauch der Mittel wurde und wird zu einem großen Teil nicht wirksam aufgegriffen. .” Auch zu diesem Ergebnis wollte sich das Lauterbacher Ministerium nicht äußern.
Der Rechnungsprüfungsbericht soll im November im Haushalts- bzw. Prüfungsausschuss des Bundestages beraten und erst dann veröffentlicht werden. Das Gesundheitsministerium hatte bereits Stellung bezogen, und der Rechnungshof hat seine Empfehlung berücksichtigt. Das bedeutet: Aus Sicht des Rechnungshofs konnte das Ministerium die im Prüfungsbericht enthaltene Kritik nicht entkräften.