Wegen des Coronavirus dürfen Schwangere weiterhin keine bayerischen Schulen betreten. Sie können zu Hause arbeiten, dürfen aber nicht im Unterricht stehen. Die entsprechende Allgemeinverfügung muss laut Piazolo nun geändert werden. „Künftig wird die Schwangere je nach Situation mit ihrem Arzt und auch mit dem Direktor darüber sprechen, dann ist auch ein Lehrauftrag möglich“, erklärte die Ministerin. Bedingung werde sein, dass die Lehrer „es wollen“ und „es auch medizinisch verantwortbar ist“. Es werde keinen Zwang geben, versicherte der Freie-Wahl-Politiker. Konkrete Angaben zum geplanten Arrangement machte er auf Nachfrage nicht: Die Details würden noch ausgearbeitet, „das geht nicht von heute auf morgen“.

3.000 Schwangere verpassen den Unterricht

Insgesamt fehlen in Bayern fast 3.000 schwangere Lehrerinnen zum neuen Schuljahr. In diesem Zusammenhang verwies Piazolo in der vergangenen Woche auf die Fürsorgepflicht des Freistaats als Arbeitgeber: Der Schutz der Gesundheit von Schwangeren und des ungeborenen Lebens müsse oberste Priorität haben. Das Bildungsministerium steht in diesem Konsultationsprozess im Austausch mit dem Gesundheitsministerium und dem Sozialministerium. Obwohl die Angelegenheit in Bayern seit einigen Wochen diskutiert wird, gab Piazolo die Nachricht am ersten Tag des neuen Schuljahres bekannt. Die Nachricht überraschte auch Lehrer und Lehrergewerkschaften. Viele Kolleginnen und Kollegen stoßen auf das Missverständnis, „dass diese Angelegenheit nicht vor Schulbeginn geklärt werden konnte“, sagte Michael Schwägerl, Präsident des Bayerischen Philologenverbandes (BPV). Und der Landesvorsitzende des Bayerischen Realschullehrerverbandes (BRLV), Jürgen Böhm, kritisierte Piazolos Äußerungen als „zur falschen Zeit“.

Lehrergewerkschaften: Unsicherheit in den Schulen

Ankündigungen über den Einsatz schwangerer Lehrerinnen hätten für Verunsicherung an Schulen gesorgt, sagte Böhm auf BR24-Anfrage. „Gerade zu Beginn eines neuen Schuljahres setzt man alle Beteiligten unnötig unter Druck und geht an die Grenzen.“ Hier braucht es zunächst klare Entscheidungen oder Regelungen und dann verbindliche Ankündigungen. „Die Verantwortung muss hier beim Arbeitgeber liegen.“ Ähnlich sieht es der Chef des BPV Schwägerl: Die Ankündigung von Piazolo schürt viele Spekulationen und sorgt für viel Verunsicherung und Unbehagen bei den betroffenen Schwangeren, dem Lehrpersonal und der Schulleitung. „Wir brauchen jetzt schnellstmöglich klare Entscheidungen darüber, ob die Schulen für Schwangere wieder öffnen und – wenn ja – glaubwürdige Regelungen, die den Mutter-Kind-Schutz vor Ort sicherstellen.“

GEW: Müssen Lücken gefüllt werden?

Kritik an Piazolos Plänen kommt auch von der bayerischen Landespräsidentin der Gesellschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), Martina Borgendale. Auf Nachfrage von BR24 betonte er, dass Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz an erster Stelle stehen müssen. Piazolo spricht über Freiwilligenarbeit. Aber: „Der psychische Druck, der entsteht, ‚freiwillig‘ zu wollen, ist nicht zu unterschätzen“, warnt Borgendale. “Deshalb sehen wir das sehr kritisch.” Auch sie war überrascht über den Zeitpunkt von Piazolos Ankündigung. „Dadurch entsteht der Eindruck, dass diese Maßnahme spontane Lücken füllen soll“, kritisierte der GEW-Landespräsident.

Wie viele Lehrer fehlen: Hunderte oder Tausende?

Nach Angaben des Kultusministers fehlen in Bayern mehrere hundert Lehrkräfte, vor allem an Grund-, außerschulischen und Sonderschulen. Eine genauere Zahl wollte Piazolo auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht nennen. Zugleich betonte er, dass es in Bayern noch nie so viele Lehrkräfte gegeben habe wie heute – mit über 100.000 im staatlichen Bereich. Damit ist die Schulpflicht gewährleistet. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, antwortete kürzlich gegenüber BR24live, dass noch nie so viele Lehrer gefehlt hätten wie in diesem Schuljahr. Insgesamt wird von einem Personalmangel im vierstelligen Bereich ausgegangen. Nach Schätzungen des Bayerischen Lehrerverbandes (BLLV) fehlen allein in Bayern 4.000 Lehrkräfte an Grund-, Mittel- und Sonderschulen. Deshalb wird es laut BLLV vielerorts größere Klassen geben, Kürzungen bei Fächern wie Musik, Kunst oder Sport, bei Förder- und Diversitätsangeboten, bei Arbeitsgemeinschaften und mehr. Verbandspräsidentin Simone Fleischmann betonte: „Es gibt keinen Unterricht. Der Unterricht fällt aus. Kinder werden eher nach Hause geschickt.“ Kultusminister Piazolo konterte dem BLLV: In Bayern gebe es ein stabiles Unterrichtssystem. Bei der Bilanzierung fehlender Lehrer vergleicht der Club Äpfel mit Birnen. “Ich halte nicht viel von Zahlenspielen.”