Verliert die SP die AHV-Stimme, verliert die SP-Führung mit Mattea Meyer und Cédric Wermuth an Macht und Ansehen. Die reiben sich einfach die Hände. Sie freuen sich auf den 25. September. Denn dann könnte ein SP-Mythos begraben werden. Der Mythos Rentenreform ist gegen die Linke nicht zu gewinnen. Glaubt man den Umfragen, wird genau das passieren: In der zweiten SRG-Trendumfrage sprechen sich 59 Prozent für die AHV-Reform und damit für die Anhebung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre aus. Ist die Reform abgeschlossen, verliert die SP ihre Dominanz und ihr Bedrohungspotential in der Rentenpolitik. Ausgerechnet in der AHV, deren Vater der ehemalige SP-Bundesrat Hans-Peter Tschudi (1913–2002) ist, weil er sie während seiner Amtszeit massiv ausgebaut hat. Ausgerechnet in ihrem Kerngeschäft, dem Sozialthema, droht der SP ein Imageschaden und – schlimmer noch – ein Machtverlust.

Schaden mit Folgen

Ein Schaden, der die Bundestagswahlen 2023 negativ beeinflussen könnte. Und so steht das Führungsduo Mattea Meyer (34) und Cédric Wermuth (36) unter Druck. Der Verlust des großen linken Prestigeprojekts ein Jahr vor der Wahl würde die städtische Konkurrenz beflügeln. Nicht, dass Wermuth und Meyer keine Wahlerfolge vorzuweisen hätten. Die Gesundheitsinitiative gewann die Linke ebenso wie die Anti-Tabak-Initiative. Und fast im Alleingang begründete die SP das Stempelsteuermodell. Ein Erfolg, der den Bürger vor Ehrfurcht erstarren ließ. Die Verrechnungssteuerabstimmung haben sie längst verloren – und danach fast die AHV-Reform. In führenden städtischen Kreisen verwundert es daher, dass die SP nicht den Ball aufgegriffen und ihre ganze Kraft in einen monatelangen Nicht-Wahlkampf gesteckt hat. Stattdessen hat die SP für den 25. September andere Prioritäten gesetzt. Zu Beginn der Kampagne konzentrierte er sich hauptsächlich auf die Verrechnungssteuer, so zumindest der äußere Eindruck. In der AHV-Kampagne überließ er den Gewerkschaften die Führung.

AHV-Akzente im Endspurt

Und anstatt ihre Wahlkampfgelder – immerhin gut 450’000 Franken – hauptsächlich in die AHV-Abstimmung zu stecken, wurde jeweils die Hälfte davon für die beiden Standards zweckgebunden. Erst gegen Ende verschob sich der Fokus mehr in Richtung AHV. «Im Endspurt haben wir der AHV tonnenweise zugelegt», sagte SP-Sprecher Nicolas Häsler. Tatsächlich werden Bemühungen in Quests und Appellen gesehen. Nur: Reicht das, um eine Niederlage zu vermeiden? Wenn Sie mit SP MLAs sprechen, fühlen Sie sich vielleicht nervös. Natürlich wäre ein Nein ein “schlechtes Zeichen”, sagt einer. Aber sie wollen die AHV-Abstimmung nicht als Schicksalssache anpreisen.

Meyer: „Wir kämpfen weiter“

Vor allem nicht, weil sie die Abstimmung nicht verlieren werden. „Wir werden bis zum 25. September weiterkämpfen“, sagt Mattea Meyer. «Sonst würden Frauen und Ehepaare die mit dem AHV-Ermässigungsstandard eingesparten sieben Milliarden Franken bezahlen.» Er nimmt den Vorwurf auf, die Partei habe zu sehr auf die Verrechnungssteuer gesetzt und die AHV-Kampagne persönlich zerstört: «Ich kämpfe seit Wochen auf der Strasse oder auf Podien für ein Nein zur AHV-Reform. Und mit mir viele andere!” Gewinnerin Mattea Meyer: „Wir sollten alle mehr für schlechtere Renten zahlen“ (00:23) Die Linke hofft nun auf ein Kampfjet-Ergebnis. Auch in der jüngsten Flugzeugmarktumfrage 2020 lag das Ja-Lager klar vorne. Am Sonntag folgte eine knappe Abstimmung. „Jetzt kommt es auf die Endmobilisierung an – und da werden wir wieder Vollgas geben“, sagt Meyer. Einen Schub erhofft er sich vom Ständeratsentscheid, die Reform der 2. Säule zu verschieben. “Frauen wurden bessere Renten versprochen, aber sie stehen trotzdem leer.”