Bereits vor Ende der Auszählung war klar: Die Schwedendemokraten von Jimmie Åkesson würden als große Gewinner hervorgehen. Der schwedische Wahlkrimi hat einen großen Gewinner: die Schwedendemokraten. Die Auszählung der Stimmzettel, die die Schweden am Sonntag in die Wahlurne für die neuen Abgeordneten ihres Parlaments abgegeben haben, dauert noch an. Doch nachdem 98 Prozent der Wahlkreise ausgezählt wurden, war der Trend am Dienstag klar: Die Schwedendemokraten gewannen 3 Prozent zu 20,6 Prozent und wurden damit zweitstärkste Partei in Schweden. Die 1988 gegründete Partei mit rechtsextremen Wurzeln hatte noch nie einen höheren Wähleranteil. Die regierenden Sozialdemokraten von Premierministerin Magdalena Andersson (55) sind mit 30,4 Prozent weiterhin stärkste Partei. Doch dank des starken Zuwachses der Schwedendemokraten überholt das rechte Lager, zu dem auch Gemäßigte, Liberale und Konservative gehören, inzwischen das linke Lager aus Sozialdemokraten, Grünen und Sozialisten. Und Anderson will damit nichts mehr zu tun haben. Er gibt eine Niederlage zu. Das rechtskonservative Lager gewann eine knappe Mehrheit. „Es ist eine knappe Mehrheit, aber es ist eine Mehrheit“, sagte er. Sie werde daher am Donnerstag ihren Rücktritt als Ministerpräsidentin einreichen, sagte die Sozialdemokratin am Mittwochnachmittag in Stockholm. Die Verantwortung für das weitere Verfahren geht dann auf Parlamentspräsident Andreas Norlén und den Reichstag über. Welche Seite am Ende gewinnt, die Bildung einer neuen Regierung dürfte lange dauern. Blöcke werden intern gesplittet. Und vor allem stellt sich die Frage: Sollen die Schwedendemokraten erstmals in Regierungsverantwortung einbezogen werden?
Schwierige Entscheidung
Für die Sozialdemokraten ist das ein No-Go. Die Konservativen hingegen wollen die Türen nicht schließen. Ihre Partner hingegen sind sich noch nicht sicher. Klaus Müller-Wille (55), Professor für Nordische Studien an der Universität Zürich, sagte gegenüber Blick: «Die beiden traditionellen konservativen und liberalen Parteien Moderaterna und Liberalerna zögern noch, wenn es um die Frage einer Regierungsbeteiligung der Schwedendemokraten geht.» Die Entscheidung, sie in eine Regierung aufzunehmen, sei keine leichte, sagt Müller-Wille. „In Dänemark hat das Beispiel von Dansk Folkeparti gezeigt, wie schwierig es für rechtspopulistische Parteien ist, ihr eigenes Regierungshandeln zu legitimieren. Umgekehrt zeigt das Beispiel Dänemark, wie sehr sich der politische Diskurs unter dem Einfluss dieser Partei nach rechts verschoben hat.“ SD fiel vor allem mit ihrem Hauptthema auf: die gescheiterte Integration vieler Immigranten als Folge der liberalen Asylpolitik Schwedens. Tatsächlich gibt es in Schweden brutale Bandenkriminalität, die jedes Jahr viele Todesopfer fordert – im Durchschnitt werden jeden Tag zwei Morde registriert. Parallelgesellschaften haben sich in die Vorstädte ausgebreitet. Mehr zu Schwedens politischen Problemen Klaus Müller-Wille sagt: „Es besteht kein Zweifel daran, dass in der schwedischen Integrations- und Kriminalpolitik in den letzten Jahrzehnten viele Fehler gemacht wurden.“ Überrascht sei er jedoch, dass dieses Thema den Wahlkampf dominiere, während Schweden gleichzeitig einer konkreten Bedrohung durch Russland ausgesetzt sei und auch die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren bekomme.
rassistische Ideen
Weitere Brennpunkte der Kampagne waren das reformbedürftige Gesundheitssystem, Privatschulen, die mit öffentlichen Geldern hohe Gewinne erzielen, und explodierende Energiepreise. Die geplante Nato-Mitgliedschaft, die von fast allen Parteien unterstützt wird, spielte fast keine Rolle. Müller-Wille ist besorgt über die Entwicklung in Schweden. Er hält die SD wegen ihrer „eindeutig rechtsextremen Vergangenheit“ für gefährlicher als andere rechtspopulistische Parteien in Skandinavien. „Die Partei versucht, ihre politischen Ursprünge zu leugnen. Immer wieder kommt es aber zu Fehlschlägen, die zeigen, dass rassistisches und faschistisches Gedankengut zumindest an der Basis der Partei immer noch gewalttätig ist.”