Die Konferenzen zum sicherheitspolizeilichen Fall seien von Experten zwar grundsätzlich begrüßt worden, aber “waren kein Allheilmittel, um die Tötung von Frauen zu verhindern”, erklärte Messner auf einer Pressekonferenz. Einer der Gründe dafür war die lange Vorbereitungszeit. Es ist besorgniserregend, dass die Protokolle dieser Konferenzen manchmal in Gerichtsakten landen und von Strafverfolgungsbehörden ermittelte Täter dann im Rahmen ihrer Verdächtigenrechte darauf zugreifen können. Das müsse aufhören, die Koordination zwischen Polizei, Justiz und Hilfsorganisationen für von Gewalt betroffene Familien, Frauen und Kinder müsse verbessert werden, sagte Messner.

Sicherheitslücken im Gewaltschutzgesetz

Experten haben das Gewaltschutzgesetz 2019 überprüft und Sicherheitslücken gefunden. Vor allem bei Belästigungen von Frauen im Internet und am Telefon sind die Maßnahmen laut Experten zu schwach.

Deutlich mehr Fallbesprechungen

Innenminister Karner will die Ergebnisse der Fallbesprechungen durch die Installation von Expertenteams in jedem einzelnen Bundesland verbessern. In diesem Jahr fanden bis Mitte September österreichweit rund 120 Tagungen statt, eine deutliche Steigerung gegenüber 2020 (27) und 2021 (57). Als weitere Maßnahme gegen häusliche Gewalt wird eine interministerielle Arbeitsgruppe zu Gewalt gegen ältere Menschen ausgebaut. In fürsorglichen Beziehungen komme es immer wieder zu körperlichen Übergriffen und sogar zu Tötungsdelikten, sagt Karner: „Für die Polizei ist hier ein effektives Eingreifen fast unmöglich, da es so gut wie keine Polizeigeschichte gibt. Hier ist eine enge Vernetzung mit Leistungserbringern und dem Sozialministerium notwendig.“

Anwendung und Unterstützung für Polizeikräfte

Ein „Stiller Notruf“, der derzeit von rund 5.000 überwiegend Frauen genutzt wird, um sich vor möglichen Bedrohungen zu schützen, soll weiterentwickelt und offensiver beworben werden. Am Ende könnte eine „versteckte“ App stehen. Schließlich wird eine 24-Stunden-Hotline für alle Polizeibeamten in Österreich eingerichtet. Expertinnen und Experten sollen den Beamtinnen und Beamten vor Ort dann bei Bedarf bei Amtshandlungen im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt telefonisch mit Rat und Tat zur Seite stehen. Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) bezeichnete das Gewaltschutzgesetz als „Aushängeschild“. Er kündigte einen weiteren Anti-Gewalt-Gipfel für den 6. Dezember und eine qualitative wissenschaftliche Studie über Frauenmorde bis Ende des Jahres an. Außerdem wolle man neue und spezifische Formen von Gewalt in den Fokus rücken, etwa Online- und Partnergewalt, aber auch – so Raab – „importierte Gewalt“, etwa Genitalverstümmelung und Kinderehe. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) fehlte krankheitsbedingt.

Weitere Einreiseverbote

Positiv wird die Ausweitung von Betretungs- und Annäherungsverboten bewertet. 2021 wurden 13.690 Einreise- und Annäherungsverbote ausgesprochen, dieses Jahr waren es bis Ende Juli bereits 9.500. Im September 2021 wurden 11.000 Konsultationen zu den umgesetzten Risiken durchgeführt. In beiden Bereichen gibt es jedoch Verbesserungspotenzial. Bei Stalking und Online-Stalking würden aus Sicht der Experten jedoch kaum einstweilige Verfügungen ausgesprochen, auch Kontaktverbote per Anruf und SMS seien wünschenswert, sagte Sozialforscher Messner. Gefordert werden auch strengere Kontrollen dieser Kontaktverbote und der Erlass von Haftbefehlen bei Verstößen. Auch bei der Ausweitung von Betretungs- und Annäherungsverboten gibt es in der Praxis Kommunikationsdefizite. „Dann stehen oft Männer vor der Tür, weil sie nichts davon wissen“, sagte Messner. Das ist eine Gesetzeslücke, die es zu schließen gilt. Bei Verstößen würden strengere Kontrollen und Strafen angestrebt. Die Polizei würde hier oft Haft empfehlen, aber die Justiz lässt eine solche Haft oft nicht zu.

Beratung für Gefährdete ist willkommen

Eine verpflichtende Gewaltpräventionsberatung für Gefährdete erfordert eine „gute Zusammenarbeit“ zwischen Exekutive und NGOs. Für Beratungsgespräche sind in der Regel sechs Stunden vorgesehen, hier wäre eine flexiblere Zeiteinteilung wünschenswert. Immerhin 40 Prozent der Betroffenen – meist Männer – erhalten nach sechs Stunden eine weitere Beratung. Beratungsstellen wollen einen legalen Weg, um proaktiv mit gefährdeten Personen zu kommunizieren. Das Hauptanliegen der Polizei ist es, die Zahl der Dolmetscher zu erhöhen.

Die Opposition fordert mehr Budget

SPÖ und FPÖ forderten von der Regierung mehr Geld für die Präventionsarbeit, „damit Österreich endlich die Istanbul-Konvention, also den Frauenschutz, umsetzen kann“, wie FPÖ-Frauenbeauftragte Rosa Ecker in einer Aussendung sagte. Bestehende Maßnahmen würden nicht funktionieren oder nicht ausreichen. Außerdem müssen Beratungsstellen für Frauen und Mädchen in den Stadtteilen ausgebaut werden. Die SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner bezeichnete Österreich als „Hochrisikoland für Gewalt gegen Frauen“. Er wiederholte die Forderung nach einem “ständigen Krisenstab zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Innen- und Justizministerien und allen am Gewaltschutz beteiligten Organisationen”. Frauen- und Mädchenberatungsstellen seien „am Limit“, es gebe einen „Ansturm von Hilferufen von Frauen“, sagte Holzleitner in einer Pressemitteilung: „Frauen- und Mädchenberatungsstellen können große Projektanfragen nicht mehr bewältigen. Sie brauchen eine stabile Seed-Finanzierung. Es muss schnell geholfen werden, lange Wartezeiten sind lebensgefährlich.”

Grüne: „Politische Ordnung“

Grüne Frauenbeauftragte Mary Dysoski will die bei der Evaluierung des Gewaltschutzgesetzes gemachten Vorschläge für weitere Verbesserungen übernehmen und umsetzen, wie sie in einer Aussendung ankündigte: „Die hohe Zahl an Frauenmorden in Österreich ist ein politischer Auftrag, diesen Kurs weiter fortzusetzen die Koalition. Der Finanzminister wird auch gebeten, die erforderlichen Mittel für weitere Verbesserungen bereitzustellen.”