Ukraine-Krieg: „Wenn Putin gestürzt oder getötet wird, droht Russland im Chaos zu versinken“
Zwar hat Wladimir Putin international nur wenige Freunde, doch seine Machtposition im Inland ist laut einem Experten nach wie vor gesichert. Aber wenn Putin schwerwiegende Fehler macht, können Rebellionen ausbrechen. 1/9 Laut Osteuropa-Experte Alexander Dubowy ist Vladimirs Machtposition noch gesichert. Ruft er zur Mobilisierung auf oder müssen die Menschen auf den großen Gütern ihren Lebensstandard drastisch reduzieren, können Bürgeraufstände folgen. ÜBER REUTERS Putin traf am Donnerstag mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping zusammen. Allerdings, so Dubowy, könne Putin keine große Hilfe von ihm erwarten. AFP Im Gegenteil: Peking diktiert die Bedingungen der Gaslieferverträge zwischen Russland und China. China werde Russlands Schwäche ausnutzen, sagt Dubovy. Reuters
Wladimir Putin hat sich am Donnerstag mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping getroffen. Verbündete seien sie aber nicht, sagt Osteuropa-Experte Alexander Dubowy. Das Treffen hat symbolischen Charakter. Überhaupt hat Putin international fast keine Freunde. In seinem Land ist seine Machtposition nach wie vor gesichert. Laut dem Experten hängt die russische Elite von Putin ab. Schwierig könnte es für Putin werden, wenn die Bevölkerung in den Großstädten ihren Lebensstandard verliert – dann sind politisch motivierte Proteste nicht auszuschließen.
Wladimir Putin hat sich am Mittwoch in Usbekistan mit Xi Jinping getroffen. Wird China Russland im Krieg unterstützen?
China will sich in diesen Krieg nicht einmischen. Auch die finanzielle Unterstützung ist begrenzt. Während China westliche Sanktionen nicht unterstützt, tut es wenig, um Russland zu ermöglichen, sie zu umgehen. Chinesische Unternehmen wie Huawei ziehen sich nach und nach aus Russland zurück. Das Treffen hat eher symbolischen Charakter.
Welche anderen Verbündeten hat Russland?
Eigentlich keine. Zumindest niemand, der bereit ist, die Folgen dieses Krieges zu tragen und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Der engste Verbündete, Weißrussland, ist einfach zu abhängig, um seine eigene Politik zu verfolgen. Und da die Angriffe auf die Ukraine auch von Weißrussland ausgeführt werden, ist das Land faktisch eine Kriegsgruppe. Auch Nordkorea will sich in diesen Krieg nicht einmischen. Sie verkaufen Waffen an Russland, aber wir werden in diesem Krieg keine nordkoreanischen Kämpfer oder Truppen sehen. Auch Russlands Verbündeter Kasachstan erteilte Putin am Dienstag eine klare Absage aus Angst vor US-Sanktionen. Und im Südkaukasus riskiert Putin, sein Gesicht zu verlieren, indem er Armenien nicht zu Hilfe eilt. “Russland droht, Anhang und Energielieferant von China und Indien zu werden”. Alexander Dubowy
Aber kauft China Gas von Russland?
Ja. Doch zunächst muss die Infrastruktur für Erdgaslieferungen nach China ausgebaut werden. Und zweitens weiß China sehr genau: Russland hat neben China und Indien kaum eine Alternative, sein Erdgas zu verkaufen. Daher dürfte Peking die Bedingungen neuer Gaslieferverträge zwischen Russland und China diktiert haben. Russland droht zum Annex und Energielieferanten von China und Indien zu werden.
Putin hat also fast keine Freunde im Ausland. Und im Inland?
Innenpolitisch ist Putins Machtposition unbestritten. Eine große Mehrheit befürwortet „militärische Spezialoperation“. Es gibt zwei Elitegruppen: diejenigen, die den Krieg unterstützen, und diejenigen, die auf Kompromissen bestehen. In der zweiten, viel kleineren Gruppe sind die Menschen, die die russische Wirtschaft am Laufen halten. Beide Gruppen sind durch Putin reich geworden, und beide Gruppen brauchen Putin als Richter und Schiedsrichter. Wenn er gestürzt oder getötet würde, würde Russland ins Chaos stürzen. Dann wäre ein Bürgerkrieg nicht ausgeschlossen.
In letzter Zeit werden jedoch immer mehr Gegenstimmen laut.
Ja. Aber das ist vergleichbar damit, wenn ein Stadtrat in der Schweiz den Rücktritt eines Bundesrats fordert. Diese Menschen zeigen unglaublichen Mut, weil sie wissen, dass sie mit ihrem Leben bezahlen können, wenn sie sich öffentlich gegen Putin stellen. Politisch machen sie jedoch keinen Sinn. „Sozial motivierte Aufstände können Putin gefährlich werden. Eine Mobilisierung wäre das Ende der Leidensfähigkeit Russlands.” Alexander Dubowy
Wie verändern Kriegsniederlagen die Stimmung in Russland?
Der Krieg in der Ukraine interessiert die Mehrheit der Russen etwa so sehr wie der Krieg in Afghanistan, also fast gar nicht. Während Russland in der Ukraine seine – abgesehen vom Tschetschenienkrieg – größte militärische Niederlage der jüngeren Geschichte hinnehmen musste, wurde in Moskau das Jubiläum mit Gesang, Tanz und Lachen gefeiert.
An Putins Machtposition ist also gar nicht zu rütteln?
Noch. Sozial motivierte Aufstände können ihm durchaus gefährlich werden. Eine Generalmobilmachung kommt deshalb für Putin nicht infrage: Sie würde bedeuten, dass Väter, Brüder und Söhne in den Krieg gerufen würden. Spätestens dann wäre die russische Leidensfähigkeit zu Ende und es würde zu Aufständen kommen. Dasselbe könnte passieren, wenn der Lebensstandard der Bevölkerung durch die jetzt zu greifenden westlichen Sanktionen stark reduziert würde.
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