Unternehmen würden nicht warten, wenn die Menschen ihre Rechnungen nicht bezahlen, sagte AK-Präsidentin Renate Anderl bei der Abschlusskundgebung auf dem Wiener Karlsplatz. Deshalb muss die Regierung jetzt handeln. “Bring das Geld dahin, wo es hinfließt”, appellierte er an die Regierung und forderte, Supergewinne zu besteuern.

„Kein Deal bei rollender Inflation“

„Kein Deal bei galoppierender Inflation“, gab der ÖGB-Vorsitzende Wolfgang Katzian den Ton für die anstehenden Tarifverhandlungen an. Er forderte auch ein Winterwärmepaket, einschließlich einer Benzinpreisobergrenze. Außerdem sollen die Mieten nicht weiter steigen und das Leistungsprinzip an den europäischen Strombörsen außer Kraft gesetzt werden. APA/photonews.at/George Schneider ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian (Mitte) und AK-Chefin Renate Anderl (3.vl) bei der Demo in Wien Der Hintergrund der anderen Redner war ähnlich – die Regierung wurde kritisiert: Sie habe wiederholt Vorschläge der Gewerkschaften zur Inflationsbekämpfung ignoriert, so Ingrid Reischl, Geschäftsführerin des ÖGB. Es braucht eine Energiepreisbremse, nicht nur eine Strompreisbremse. Mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte forderte der Gewerkschafter zudem ein Ende der Liberalisierung.

Eine “Verwirrung” überwunden

Gewerkschaftsvorsitzender Christian Meidlinger kritisierte, dass Unternehmen teilweise riesige Supergewinne erwirtschaften, während viele Menschen sich das Leben nicht mehr leisten können. “Das ist ein Schlamassel, den es zu beseitigen gilt”, sagte Meidlinger, der die Aussetzung der Mehrwertsteuer und die Einrichtung einer Preiskommission forderte.

Der ÖGB organisiert Demonstrationen gegen die Inflation

Vor dem Start der Herbsttarifrunde nächste Woche hat der ÖGB am Samstag zu groß angelegten bundesweiten Anti-Inflationsprotesten mobilisiert. An den Protestmärschen, die bei schlechtem Wetter in allen Bundesländern stattfanden, beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaften insgesamt 32.600 Menschen. Rechtsextreme oder den CoV-Maßnahmen kritische Personen sowie Vertreter der autonomen Szene waren im Vorfeld auf die Demonstrationen hingewiesen worden. Der ÖGB hatte sich vor allem von rechtsradikalen Gruppierungen klar distanziert und eine enge Zusammenarbeit mit der Exekutive betont. Bis kurz nach der Demonstration in Wien wurden keine Zwischenfälle gemeldet. Rechtsextreme und Gegner der Maßnahmen seien zumindest nicht zu sehen. Die Polizei sagte in einer Aussendung, es habe keine größeren Zwischenfälle gegeben. Ein Transparent (“Klassenkampf statt soziales Miteinander”) wurde von linken Aktivisten an der Karlskirche gehisst.

Unterstützung durch Präsident Van der Bellen

Unmittelbar vor Beginn der Demonstrationen erhielt der ÖGB auch Unterstützung von höchster politischer Ebene. Bundespräsident Alexander Van der Bellen teilte via Twitter mit, dass er die Anliegen der Versammelten unterstütze. Die grassierende Inflation und ihre Folgen setzten viele Arbeitnehmer “massiv unter Druck”, so der Bundespräsident: “So wie wir als Gemeinschaft bei der Regulierung der Energiepreise eingreifen, müssen wir auch eine soziale Absicherung gegen die Inflation schaffen.” Er werde sich auch weiterhin mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die Gemeinschaft solidarisch agiert und niemanden zurücklässt: „Diese Solidarität soll nicht nur im Herzen, sondern vor allem im Portemonnaie derer zu spüren sein, die sich am Ende des Monats O wundern wie sie ihre Einkäufe bezahlen müssen. Die FPÖ warf dem Staatsoberhaupt in einer Aussendung Heuchelei vor. Daran nahmen SPÖ-Chefin Pamela-Rendi-Wagner und mehrere SPÖ-Abgeordnete teil. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) unterstützte die Proteste ausdrücklich. APA/photonews.at/George Schneider Tausende Demonstranten versammelten sich auch in Leeds

Demos in acht Landeshauptstädten und Bruck/Mur

Der Termin für die bundesweiten Massenkundgebungen ist kein Zufall, denn nächste Woche startet die Herbstlohnrunde. Mit Ausnahme der Steiermark kam es überall in der jeweiligen Landeshauptstadt zu Demonstrationen. In der Steiermark wurden die „Aufsteirern“ in Graz gemieden und trafen sich in Bruck/Mur, wo sich SPÖ-Vizechef Jörg Leichtfried 2.000 Demonstranten anschloss – mehr dazu auf steiermark.ORF.at. In Linz marschierten 3.600 Teilnehmer vom Volksgarten über die Waldeggstraße zum Landhaus an der Promenade – mehr dazu auf ooe.ORF.at. 2.500 Menschen gingen laut Veranstalter in St. Pölten – mehr dazu auf noe.ORF.at. Hunderte Menschen versammelten sich in Innsbruck, Klagenfurt, Eisenstadt und Bregenz – mehr dazu auf tirol.ORF.at, kaernten.ORF.at, burgenland.ORF.at und vorarlberg.ORF.at. PRO-GE und FSG-Präsident Rainer Wimmer traten in Linz auf, GPA-Chefin Barbara Teiber in St. Pölten. CDU-Chef und Gewerkschaftsvorsitzender Norbert Snedl war nicht erschienen. Der ÖGB betonte, dass die Demonstration von allen Fraktionen der Gewerkschaft unterstützt werde. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte in „Kurier“ und „Presse“ (Samstagausgaben) sein Unverständnis für die Proteste geäußert.

Die Polizei lehnte eine offizielle Bewertung ab

Der ÖGB war vor der Veranstaltung eher vage von Zehntausenden Teilnehmern ausgegangen. Dieses Ziel wurde nach eigenen Angaben erreicht. Die Polizei hat zumindest offiziell – eher ungewöhnlich – auf eine eigene Einschätzung verzichtet. Laut einem der APA vorliegenden Exekutivbericht wurden in Wien deutlich weniger Teilnehmer gezählt, nämlich nur zwischen 4.000 und 4.500. In St.. Auch Pölten war mit 1.500 deutlich weniger als die Veranstalter sahen. Zum Vergleich: 2018 kamen laut ÖGB 100.000 Menschen zu einer ÖGB-Demonstration gegen ein neues Arbeitszeitmodell. Aber damals konzentrierte sich das Geschehen auf Wien und das Wetter war viel besser.