19.09.2022, 04:00 Uhr

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zeigte die Bundeswehr zunächst zunehmendes Interesse. Ein halbes Jahr später hat sich der Trend umgekehrt: Die Zahl der Bewerber sinkt, während mehr Soldaten den Wehrdienst verweigern. Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer in der Bundeswehr nimmt deutlich zu. Das berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) unter Berufung auf das Bundesamt für Familie und Zivilpflichten. „In diesem Jahr sind 657 Anträge auf Kriegsdienstverweigerung beim Bundesamt eingegangen“, sagte ein Sprecher. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 209. Bis Ende August hätte sie sich mehr als verdreifacht. Viele Bewerber begründen ihre Absage angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine und einer möglichen Eskalation damit, dass sie nicht mit einer militärischen Auseinandersetzung gerechnet hätten, schreit der RND. Anträge auf Kriegsdienstverweigerung sind beim zuständigen Karrierezentrum der Bundeswehr zu stellen. Das Karrierezentrum befördert sie in den Bundesdienst für bürgerliche Familien- und Gesellschaftsaufgaben. 2011 wurde die Wehrpflicht ausgesetzt. Bis dahin waren Kriegsdienstverweigerungsanträge üblich und keineswegs immer erfolgreich.

Lambrecht gegen die neue Wehrpflicht

Gleichzeitig gehen die Bewerberzahlen für die Bundeswehr zurück, wie ein Vertreter des Bundesamtes für Personalmanagement bei der Bundeswehr in Köln gegenüber RND sagte. Unmittelbar nach Kriegsausbruch sei die Zahl der Interessenten kurzfristig gestiegen, so die Sprecherin. „Entsprechend wurden auch vermehrt Erstberatungstermine zur Berufsberatung vereinbart und durchgeführt.“ Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hat die Wiedereinführung der Wehrpflicht trotz der durch den Krieg in der Ukraine veränderten Bedrohungslage abgelehnt. „Ein Einstellungsgespräch nützt uns in der aktuellen Situation nichts“, sagte Lambrecht den Blättern der Funke Mediengruppe. „Es braucht Zeit, Soldaten auszubilden – weniger als ein Jahr macht keinen Sinn.“ Zudem fehlen Kasernen, Ausbilder oder Ausrüstung für Zehntausende Wehrpflichtige. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Frage der Militärjustiz sei „nicht so einfach zu beantworten“, fügte er hinzu. Die Wehrpflicht solle auch Frauen umfassen und „sollte nicht nur jede vierte im Jahr sein“.