Entscheidende Momente im Alltag kosten oft überraschend wenig: der Espresso direkt nach dem Aufwachen. Murauer Bier aus dem Keller direkt nach dem Rad. Ein paar Seiten Mordechai Richler vor dem Einschlafen. Mit der Royal Enfield Scram 411 durch Staus brettern. Sie kostet 5290 Euro und damit 200 beziehungsweise 400 Euro weniger als die Minimal-Reiseenduro Himalayan, von der sie direkt abgeleitet ist und deren Name je nach Ausstattung auch auf den Seitendeckeln vermerkt ist Entwurf. Jeder Experte liebt ein Himalayan und sein unverwüstliches Fahrrad. Das schlägt sich auch im Erfolg in der Zulassungsstatistik nieder. Insgesamt macht das brandneue Scram mehr mit weniger. Diese weniger wie folgt definiert: 19 statt 21 Zoll Vorderrad. 10 mm weniger Radstand, 20 mm weniger Bodenfreiheit, etwas niedrigere Sitzhöhe, 10 mm weniger Federweg vorne, ABS nicht deaktivierbar hinten (wenn man die ABS-Sicherungen zieht, um die Bremsen zu schalten, funktioniert der Tacho auch nicht). Der Wegfall eines zweiten Frontflügels, des Frontgrills, des Hauptständers, des Gepäckträgers und das Ersetzen der charakteristischen Stahlhalterung um den 15-Liter-Tank durch zwei leicht austauschbare Kunststoff-Seitenteile mit freundlicher Genehmigung der „Urban Badge Plate“ spart insgesamt neun Kilo, der uns mit 185 Kilo leer auf die Straße schickt. Es ist das kleinere Vorderrad (wahrscheinlich kombiniert mit dem daraus resultierenden steileren Lenkwinkel und weniger Rad), das das Scram 411 insgesamt mehr Spaß macht. Viel mehr. Sie werden den Auspuff des größeren Fahrrads wie Rotz in Ihren Ärmel stecken, wenn Sie darauf zielen. Dann ist es Zeit zu bohren. Die Scrambler-Gabel neigt sich mit weniger Kraftaufwand in die Kurve: Denken Sie nur an eine Kurve, sie passt. Das passt wie die Sitzposition, denn sowohl der entspannte Beinwinkel als auch die Breite des hochgezogenen Lenkers sind ein guter Kompromiss zwischen Kippfreiheit, Wendung und Sitzkomfort. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 120, hohen 130 auf abschüssigen Autobahnen muss das Fahrwerk keine These sein und ist es auch nicht. Es hat ausreichend Dimensionen für Reifen und Bremsen, auch auf schlecht gepflegten Straßen in Betonwüsten. Dafür ist Federweg gut. Apropos Bremsen, die beiden Einzelscheiben geben sich Mühe und der Fahrer täte gut daran, sie beide zu handhaben. Das Herzstück der Scram 411 ist ihr leise knatternder, luftgekühlter Einzylinder mit zwei (in Zahlen: 2) Ventilen, dessen Hubraum im Tank groß ist. Das Ergebnis sind 24 glückliche Pferde und die Euro-5-Kur hat merklich gut getan: Im Vergleich zum Vorgänger steigt das Drehmoment jetzt früher an und wer eine Ampel verpasst, startet etwas Allradlers und zahlt die nächste Runde. Ok, erwarten Sie keinen gebauten Honda XR400 oder so etwas, aber für die Schnarcher da draußen wird es einer sein. Außerdem dauert es jetzt länger, bis die Benzinreserve aufleuchtet, was auch an den neuen Instrumenten liegen könnte: nicht weniger als 250 Kilometer. Und diese Instrumente sind großartig. Wie durch ein Wunder hat der Scram einen analogen Tacho. Im Inneren befinden sich eine Uhr, eine Tankanzeige und eine Ganganzeige, deren Wert durch Schalten verändert werden kann. Mit der einzigen Taste, die man unterwegs drücken kann (oder die je nach Standpunkt zum Fahren nicht unbedingt notwendig ist), wechselt man zwischen zwei Tageskilometerzählern und einem fürs Ganze. Diese Taste befindet sich praktischerweise vor dem Gasgriff. Royal Enfield hat den Drehzahlmesser (ohnehin notwendig, denn bei 7000 U/min tritt der Motor von alleine sanft in den Begrenzer) durch ein kleines TFT-Navigationssystem ersetzt, das Richtungspfeil, Entfernung zum Einsatzort und Route in Farbe anzeigt, wenn man mit der kostenlosen Royal Enfield bastelt App-Paare. Es funktioniert einfach, und es ist der richtige Weg, weil es auf Google basiert und sie sagen, dass sie alles wissen. Wenn jedoch während der Fahrt eine zweite Uhr auf dem Navigationsbildschirm erscheint, wie es ein russischer Soldat nach dem Krieg getan hat, dann haben Scram und die App aufgehört, miteinander zu reden. Das passiert auch. Was sonst noch passiert: dass man die Neutralstellung des Fünfganggetriebes zumindest am Testrad nicht immer sofort findet. Dann hilft Ruhe. Generell hilft ein wenig Gelassenheit. Im Leben, aber auch nachts, wenn man sich aus der Garage schleicht und sich über ein Bike freut, das die Hälfte eines günstigen E-Mountainbikes kostet. Tja, wo soll der Lehrling sonst schweißen, wenn nicht auf einem Bike, das Indien verlässt, um die Innenstädte der Welt zu erobern? Und wohin mit all den Sechskantschrauben, die noch auf Lager sind? Austausch gegen Torx? Dann schrauben Sie es wahrscheinlich an Scram! Das Terrain von Scram 411 sind Städte und ihre Umgebung. Da kann man sie nur unterschätzen, wenn der Fahrer es will und nicht nur cruisen. Schneller als jeder Roller, weil genauer. Stand Bump, falls dich mal wieder ein Bösewicht in die Stehsäule gestochen hat und du ihn navigieren musst: perfekt. Blick durch den Spiegel: souverän, aber nie in einem Kleinlaster. Robust, wenn Herr oder Frau Nichtschwimmer mal wieder den Sturz des indischen Edelmetalls beim Einparken für das Audio-Parksignal hinnehmen. Leicht genug, um das Heck manuell einige Zentimeter aus der Parklücke zu bewegen. An einem Scram für den urbanen Einsatz ist nichts auszusetzen, im Gegenteil. Und den einen oder anderen Ausflug nimmt sie gerne unauffällig mit, nein: eher positiv. Nur den 24 PS glaubt dir keiner. Unterm Strich ist der Scram 411 ein gelungener Shaker mit unverwüstlicher Technik, der sich zu keiner Zeit und unter keinen Umständen einlösen lässt. Ein bisschen wie ein zweirädriger Fiat Panda. Ein abgestufter Mofa-Führerschein, der selbst erfahrene Fahrer fragen lässt, wie viel mehr man wirklich zum Leben braucht. Wie wir wissen, kosten kritische Momente im Alltag im Alter oft überraschend wenig.