Gräber in Izyum: Geisterdörfer und Gräber – so sieht es nach dem russischen Rückzug aus

Unter anderem haben sich die Russen aus der Region Charkiw zurückgezogen. Unser 20-Minuten-Reporter war in der befreiten Stadt Izyum und sprach mit den Menschen dort. Nach dem Abzug der russischen Invasoren entdeckte die ukrainische Armee mehr als 440 Gräber mit Leichen in der Nähe der Stadt Izyum. 20-Minuten-Reporterin Ann Günter war dabei. Video: 20 Minuten / Ann Günter Die Ukraine sagte letzte Woche, sie habe an mehreren Fronten insgesamt etwa 6.000 Quadratkilometer Territorium zurückerobert. Russische Truppen mussten sich vor allem in der Region Charkiw zurückziehen. 20-Minuten-Reporterin Ann Guenter berichtet exklusiv aus der befreiten Stadt Izyum in der Ostukraine.

Ann, wie ist die Situation vor Ort?

Wir kamen am Sonntag in Slavinsk an und fuhren von hier nach Izyum. Die Straßen sind noch nicht geräumt. Beschädigtes Kriegsmaterial ist überall. Ich habe Panzer mit dem Symbol Z gesehen. Die Russen haben auch Waffensysteme zurückgelassen, darunter scharfe Raketen. Wegen der Minen auf den Straßen mussten wir geheimen Routen folgen. Wir kamen an Geisterdörfern vorbei. Hier wurden die Häuser der Zivilisten vollständig zerstört. Die Betroffenen, darunter Rentner, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet hatten, mussten fliehen und ihr gesamtes Hab und Gut zurücklassen.

Wie sind die Leute bei Izyum?

Sie sind erleichtert, dass die Russen weg sind. Sie fühlen sich befreit. Die Kleinstadt war seit April besetzt. Nach Angaben von Anwohnern hatten die Russen unter anderem eine Ausgangssperre verhängt. Zivile Häuser wurden ebenfalls bombardiert und zerstört. Menschen berichten, dass sie die Verwundeten nicht unter den Trümmern hätten sammeln sollen. Einige sagten mir, sie hätten gehört, wie Opfer stunden-, manchmal tagelang um Hilfe riefen. Irgendwann verstummten die Stimmen und die Bestatteten starben elend. Ebenso war nach der russischen Besetzung die Grundversorgung nicht mehr gewährleistet. Es fehlte nicht nur an Medikamenten, sondern auch an Lebensmitteln. Dadurch starben vor allem ältere und schwächere Menschen.

In der Nähe von Isjum wurde ein großes Grab entdeckt. Wer sind die Toten?

Dies ist noch nicht vollständig geklärt. Es gibt verschiedene Szenarien. Einerseits könnten sie Opfer von Folter sein, andererseits Zivilisten, die unter Beschuss oder an unzureichender Versorgung starben. Vor Ort sah ich über 440 Holzkreuze. Diese sind meist nummeriert, manche tragen auch das Jahr des Verstorbenen. Gemessen an den Altersgruppen handelt es sich bei den Toten meist um ältere Menschen. Es gibt aber auch Holzkreuze, bei denen die Jahreszahlen Kinder und Jugendliche zeigen.

Was ist mit den Leichen?

Die Begräbnisstätte befindet sich direkt neben dem örtlichen Friedhof. Die Leichen werden derzeit aus kürzlich von den Russen ausgehobenen Gräbern exhumiert und in Kühllastwagen nach Charkiw transportiert. Anschließend wird eine Obduktion durchgeführt, um die Todesursache festzustellen. Auch wenn wir von den Behörden verwarnt wurden, riecht es sehr übel. Außerdem macht es dich sehr traurig, wie Menschen vor den Holzkreuzen stehen und über die traumatischen Erlebnisse sprechen. Beschädigte Militärfahrzeuge im Bereich der von der ukrainischen Armee befreiten Stadt Izyum zeugen von den Niederlagen der russischen Invasoren.
Video: 20 Minuten / Ann Günter Sind Sie oder jemand, den Sie kennen, besorgt über den Krieg in der Ukraine? Hier finden Sie Hilfe für sich und andere: Fragen und Antworten zum Krieg in der Ukraine (Staatssekretariat für Migration) Ambulanzen für Opfer von Folter und Krieg SRK, Tel. 058 400 47 77 Angst vor Krieg?Tipps von Pro Juventute Beratungsangebot (deutsch, ukrainisch, russisch) von Pro Juventute Kostenlose Beratung für Kinder und Jugendliche auf Ukrainisch Angebotene HandSorgetelefon, Tel. 143 Für die JugendKinder- und Jugendberatung, Tel. 147 Anmeldung und Informationen für Gastfamilien: Schweizer Flüchtlingshilfe, Tel. 058 105 05 55

Verpassen Sie keine Neuigkeiten mehr

Mit dem täglichen Update bleiben Sie bei Ihren Lieblingsthemen auf dem Laufenden und verpassen keine News mehr zum aktuellen Weltgeschehen. Holen Sie sich täglich das Wichtigste kurz und prägnant direkt in Ihr Postfach.