19.09.2022, 19:35 Uhr

Das per Schiff angelieferte Flüssiggas soll im vorpommerschen Lubmin abgeladen werden, um das russische Gas der Pipeline zu ersetzen. Zudem soll die Küstenstadt auch zur Überwindung der Energiekrise beitragen. Finanzminister Hambek blickt bereits optimistisch in diesen Winter. Deutschland hat laut Finanzminister Robert Habeck trotz des fehlenden russischen Gases eine Chance, “gut durch den Winter zu kommen”. Eine Chance – wiederholte der Grünen-Politiker gegenüber Reportern in Lubmin. Denn dafür muss in Deutschland viel gespart werden und es braucht „ein bisschen Glück mit dem Wetter“. Aber trotzdem: Nach eigener Aussage hätte er das vor ein paar Monaten nicht gesagt. Damit diese Möglichkeit für den kommenden Winter besteht, setzt die Bundesregierung unter anderem auf den Import von verflüssigtem Erdgas (LNG). Auch LNG soll in Lubmin landen und russisches Erdgas ersetzen, das vor wenigen Wochen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 dorthin gelangte. Am heutigen Montag trafen sich Habeck und die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig in Lubmin, um sich unter anderem über LNG-Projekte auszutauschen. Ein vom Bund gechartertes schwimmendes Terminal soll etwa 30 bis 40 Kilometer von Lubmin entfernt in der Ostsee liegen und LNG von Tankern beziehen. Eine noch zu bauende Pipeline wird das Gas nach Lubmin transportieren, von wo aus es über andere Pipelines verteilt wird. In der zweiten Hälfte des kommenden Jahres soll die Jahreskapazität für etwa fünf Milliarden Kubikmeter Erdgas zur Verfügung stehen.

Der Füllstand nähert sich der 90-Prozent-Marke

Bei der Presseveranstaltung fuhren Habeck und Schwesig auch an der Baustelle eines bereits weit fortgeschrittenen Projekts vorbei. Bereits im Dezember will die Deutsche Regas hier LNG verladen. Bagger haben das Hafenbecken für das schwimmende Terminal bereits vertieft. Zudem sehen laut Habeck die LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel gut aus für einen Start zum Jahreswechsel. Habeck sagte, der Füllstand in Erdgasspeichern nähere sich der 90-Prozent-Marke und der Preis sei in den letzten Wochen trotz fehlender russischer Lieferungen gesunken. Im Winter soll Gas aus Speichern verfügbar sein. „Das bedeutet aber auch, dass die Speicher am Ende des Winters wieder leer sind, in diesem Fall wirklich leer, weil wir das Gas nutzen werden.“ Dann heißt es schnell wieder speichern. Deshalb ist die geplante LNG-Anlandung in Lubmin wichtig. Als Treffpunkt mehrerer Erdgasleitungen sei Lubmin besonders gut geeignet, sagte Schwesig. Diese Infrastruktur würde ohne die Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2, die nie in Betrieb genommen wurden, nicht existieren. Sie hat sich in der Vergangenheit erneut für Nord Stream 2 gewehrt. Es war billige Energie für ganz Deutschland. Es ist nicht die Schuld von MV, dass der Energiebedarf in der Vergangenheit nicht berechnet wurde oder andere Landesteile nicht besser angebunden waren.

Ambitioniertes Programm

Schwesig sagte, es bestehe kein Vertrauensverhältnis mehr zu Russland. Auf einen solchen Partner kann man sich nicht mehr verlassen. Der niedersächsische Ministerpräsident Stefan Weil sagte zuvor, dass seiner Ansicht nach Erdgas niemals über Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland fließen werde. Habeck sagte auch, er sehe „kein absehbares Szenario, in dem Nord Stream 2 eine Rolle für die Energiesicherheit in Deutschland spielen wird“. Im Falle einer Beauftragung würde die strategische Abhängigkeit vom russischen Präsidenten Wladimir Putin fortbestehen. Dass nicht alle so russlandkritisch eingestellt sind, zeigte ein Demonstrant mit russischer Flagge, der auf einem Steg in Lubmin stand, als Habeck und Schwesig während des Dates am Deck einer Yacht vorbeifuhren. Die Bundesregierung plane auch nicht, die Kontrolle über die Pipeline zu erwerben, um sie für das LNG-Terminal zu nutzen, sagte Habeck. Theoretisch hätte man sich die Verlegung einer weiteren Leitung durch den Greifswalder Bodden – ein Naturschutzgebiet – sparen können. Der Bau dieser Leitung und die ausstehenden Genehmigungen machen den angestrebten Zeitplan ebenfalls ehrgeizig. Normalerweise arbeite man hier mit “Lichtgeschwindigkeit”, sagte Habeck. Schwesig betonte, dass der Infrastrukturausbau zweigleisig erfolgt. So soll er später für den klimafreundlicheren Energieträger Wasserstoff genutzt werden. Deutschland muss künftig vollständig auf erneuerbare Energiequellen setzen. „Denn eines ist ganz klar: Egal wo fossile Brennstoffe herkommen, wir sind abhängig von fossilen Brennstoffen, immer abhängig, weil wir sie selbst nicht haben.“